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DeepMind und das Wetter

Google’s DeepMind sagt das Wetter voraus und leistet dabei (scheinbar) Erstaunliches, meldet n-tv.

Ein schönes Beispiel für das, was KI kann und was sie nicht kann, liefert diese zweifellos beeindruckende Meldung. Google’s KI DeepMind kann nicht nur Bahnbrechendes in den Materialwissenschaften leisten, sondern auch das Wetter vorhersagen. Das macht sie offenbar teilweise präziser als klassische Wettermodelle, mit einem Bruchteil des Rechenaufwands und in einem Bruchteil der Zeit.

Vorweg: das tut sie wohl tatsächlich, und das funktioniert auch.

Abgesehen natürlich von der Behauptung des geringen Rechenaufwandes, denn der steckt bei KI’s im Training und nicht in der Anwendung. Und im Training dürfte er gewaltig gewesen sein. Aber lassen wir das einmal dahingestellt.

Klassische Wettermodelle

Was ist der Unterschied zwischen klassischen Wetter-Modellen und der Herangehensweise einer KI wie DeepMind?

Das Wetter ist das komplexe Zusammenspiel einer Reihe von Parametern – Temperaturen, Drücken, Luftfeuchtigkeit, den daraus resultierenden Windgeschwindigkeiten, und all das beeinflusst durch Randbedingungen wie geografische Gegebenheiten und Sonneneinstrahlung.

Ein klassisches Wettermodell versucht, all diese Parameter möglichst detailgetreu abzubilden. Das ergibt hohe Menge an Simulationsdaten. Die zeitliche und räumliche Entwicklung dieser Parameter wiederum berechnet man anhand der zugrundeliegenden physikalischen Gleichungen. Diese sind auf Grund ihrer Komplexität nicht ganz einfach zu handhaben, und das macht den Rechenaufwand so enorm.

Und schließlich ist das Wetter ein nichtlineares dynamisches System. Das bedeutet im Grunde, dass es prinzipiell keine Möglichkeit einer exakten Vorhersage auf beliebig lange Zeiträume gibt. Egal wie genau man rechnet. Wetter kann man nicht länger als einige Tage halbwegs präzise voraussagen. Abgesehen von marginalen Optimierungen wird sich das niemals ändern.

Klassische Wettermodelle holen unter diesen Umständen im Grunde bereits alles heraus, was geht.

Was macht eine KI wie DeepMind anders?

KI modelliert nicht die zugrundeliegende Physik. Sie beschränkt sich auf die Muster und Verteilungen, die daraus resultieren. Das Interessante am Wetter sind ja großräumige Strukturen, im Wesentlichen Hoch- und Tiefdruckgebiete, und ihre Bewegung. Für sie ist das großräumige Wetter eine zeitliche Abfolge von Mustern – in den räumlichen Verteilungen von Temperaturen, Drücken, Windgeschwindigkeiten, Wolken.

Und mit Abfolgen von Mustern kommt sie hervorragend zurecht. Wenn man Beispiele gesehen hat, wie überzeugend eine KI-Anwendung Bilder und Videos ergänzen und fortschreiben kann, dann ist es nicht schwer, sich vorzustellen, dass sie das ganz analog auch – nur leicht vereinfacht gesagt – mit Wetterkarten hinbekommt. KI’s sind Musterverarbeitungsmaschinen. Auch Sprache ist für sie nichts anderes.

In gewisser Weise repliziert DeepMind das, was man früher als Bauernschläue bezeichnet hat. DeepMind weiß, wie der Hase läuft und hat damit meistens recht. Die Motivation des Hasen ist ihm egal.

Für die Zwecke der Wettervorhersage ist das in der Regel auch ausreichend. Man möchte für die nächsten zwei, drei Tage halbwegs genau wissen, wie das Wetter wird, und man erfährt es.

Das Wetter bleibt unvorhersagbar

Fragt man aber nach dem Wetter in einem Jahr, dann wird auch die beste KI keine befriedigende Antwort geben können. Wie schon oben angemerkt: So etwas kann grundsätzlich niemand, denn das Wetter ist abgesehen von kurzfristigen Interpolationen, wie wir sie heute bereits nutzen, prinzipiell nicht voraussagbar.

Das gilt übrigens nicht nur für längere Zeiträume, sondern auch für extreme Ereignisse. Die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines Gewitters oder eines schweren Sturms kann man noch einschätzen. Ob das Extremereignis aber wirklich eintritt, wie stark seine Wirkung ist und wo genau es stattfinden wird, wird für alle Zeiten unvorhersagbar bleiben.

Und so irrt n-tv mit seiner Einschätzung, dass die Unfähigkeit, ein Ereignis wie Acapulco im Voraus zu erkennen, ein Nachteil des DeepMind-Ansatzes ist.

Eine KI ist für die Wettervorhersage ein durchaus geeignetes Werkzeug. Sie kann das Wetter im Idealfall genauso gut voraussagen wie das klassische Wettermodell. Und wenn sie das schneller kann, dann sollte man sie benutzen.

Man sollte sich nur immer bewusst sein, wo ihre Grenzen liegen.

Aber wenn Ergebnisse berauschend erscheinen, dann ist das ja oft die erste Information, die untergeht.

Wissen, worum es geht

Verallgemeinern wir mal. KI’s wie DeepMind replizieren und modifizieren Muster, unabhängig davon, womit man sie füttert. Die inhaltliche Bedeutung dessen, womit sie sich befassen, ist ihnen nicht bewusst. Das gilt für das Wetter genau so wie für geschriebenen Text oder ein Video. Sie sind höchst effizient und liefern in der Regel, was man von ihnen erwartet. Sie sind dabei vollständig dumm.

Es ginge über den Kontext dieses Beitrags hinaus zu diskutieren, ob es uns in jedem Fall genügen sollte, dass etwas eben irgendwie brauchbare Ergebnisse liefert, und ob wir uns in diese Abhängigkeit stürzen sollten. Ich fürchte aber, wir sind schon dabei, und das nicht erst seit den KI’s.

Vielleicht sollten wir uns über das Sapiens im Gattungsnamen noch mal Gedanken machen.


Drei Anmerkungen:

  1. Daraus, dass Wettermodelle nicht mehr als einige Tage in die Zukunft schauen können, sollte man nicht folgern, dass dann auch keine Voraussagen über das Klima als Ganzes möglich sind. In Klimamodellen betrachtet man andere Variablen mit einer langfristigeren Dynamik. Richtig ist aber, dass auch sie ein nichtlineares System beschreiben und langfristige Voraussagen immer mit Skepsis zu betrachten sind.
  2. Wenn ich sage, sie seien grundsätzlich dumm, dann bezieht sich das auf die aktuell verfügbaren Modelle, die alle im Wesentlichen aus einem Input-Muster ein Output-Muster machen. Sobald sie zuverlässig in der Lage sind, logische Schlüsse zu ziehen und Analogien zu bilden – was sie aktuell allenfalls imitieren – wird es problematisch.
  3. DeepMind, falls Du das hier lesen solltest – nichts für ungut, okay?