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Ammoniak-Motoren

Immer wenn Du denkst, Du hast alles schon mal gesehen, kommt etwas Neues um die Ecke. Heute: Ammoniak- Motoren.

Auf das Thema stieß ich zuerst angesichts einer etwas reißerischen Überschrift, laut derer Herr Sato, seit dem Frühling 23 der neue CEO von Toyota, angeblich verkündet hat, sein neuer Ammoniakmotor sei das Ende aller Elektrofahrzeuge. Vermutlich hat er sich in Wirklichkeit etwas zurückhaltender ausgedrückt, denn Toyota hat ja eine ansehnliche elektrische Flotte am Start.

Nichtsdestotrotz stellt sich der größte Autohersteller der Welt angemessen technologieoffen auf. In Zusammenarbeit mit dem chinesischen Autohersteller GAC hat man einen Verbrennungsmotor entwickelt, der mit Ammoniak betrieben wird. Die Idee ist nicht grundsätzlich neu, galt aber bisher vor allem für die Schifffahrt als eine kommende Antriebsalternative. MAN plant für 2024 einen Zweitaktschiffsmotor auf Ammoniakbasis.

Was ist nun von alldem zu halten?

Ammoniak als Treibstoff

Bei Antriebskonzepten geht es immer zunächst um den Energiegehalt des Brennstoffes, und da steht Ammoniak nicht ganz schlecht da. In einem Liter stecken 3,2 kWh Energie, in Superbenzin 8,9 kWh.

Es gibt zwei Möglichkeiten, den Stoff für den Antrieb einzusetzen. Entweder man verbrennt ihn direkt, oder man setzt ihn als Wasserstoffspeicher ein. Schauen wir kurz auf die Chemie: NH3 enthält, wie man sieht, keinen Kohlenstoff, aber eine Menge Wasserstoff. Und Stickstoff, was für sich unproblematisch ist, denn drei Viertel der Atemluft bestehen daraus. Es kann also grundsätzlich kein CO2 entstehen.

Wenn wir auf die Aussage von GAC und Toyota schauen, dass der CO2-Ausstoß um 90 % verringert (und nicht völlig beseitigt) wird, dann sagt uns das zweierlei. Erstens hat man offenbar den Weg der direkten Verbrennung gewählt.

Zweitens ist reines Ammoniak (wie übrigens auch Diesel) nicht ganz leicht zu entzünden, man braucht also technische Kniffe, um es direkt in einem Motor verwenden zu können. Kompression und/oder die Beimischung klassischer Treibstoffe beispielsweise. Das scheint hier geschehen zu sein, und das verbleibende CO2 kommt aus diesen Beimischungen.

Die Verringerung des CO2 hat ihren Preis: Bei der Verbrennung von Ammoniak entstehen Stickoxide, die wiederum giftig sind, und das muss man ebenfalls im Griff haben. Das ist beim Benzinmotor im Laufe der Jahre auch gelungen, und allem Anschein nach hat man das Problem gelöst.

Die Alternative zur direkten Verbrennung im Motor bestünde übrigens darin, das Ammoniak als reinen Energiespeicher zu verwenden. Ein entsprechendes Antriebsverfahren müsste ihn in seine Bestandteile spalten und den Wasserstoff in einer Brennstoffzelle verwenden. Stickstoff darf problemlos in die Luft entweichen.

Hier hätte man den klassischen Vorteil des Wasserstoffantriebs – einziges Verbrennungsprodukt ist Wasser – kombiniert mit einer Lagerung, die technisch einfacher ist als bei Wasserstoff. Die Herausforderung dürfte dann in einer effizienten Aufspaltung des Ammoniaks bestehen.

Für Fahrzeuge scheint das wohl ein noch ungelöstes Problem zu sein. Ich habe auch keinerlei Hinweise gefunden, dass dieses Prinzip schon irgendwo zur Anwendungsreife gediehen ist. Fürs Erste bleibt es also bei der Direktverbrennung.

Lagerung von Ammoniak

Da Ammoniak um Gegensatz zu Benzin unter Normalbedingungen gasförmig ist, muss die Lagerung unter (nicht allzu hohem) Druck geschehen, man kann ihn also nicht ganz so einfach tanken wie Benzin. Technisch ist das eine seit 200 Jahren durchaus gelöste Aufgabe. Schaut man sich zum Beispiel Straßenbahnen im 19. Jahrhundert in New Orleans, belgische Busse im Zweiten Weltkrieg oder einen 81er Chevy Impala oder überhaupt diesen ganzen Artikel hier an.

Zudem ist er in höherer Konzentration giftig für die Atemwege. Man riecht ihn allerdings bereits in weitaus geringeren Konzentrationen. Das erfordert gewisse Vorkehrungen beim Umgang und ist ebenfalls kein KO-Kriterium. Auch Benzin sollte man letzten Endes nicht zu sich nehmen.

Herstellung von Ammoniak

Kommen wir zur Herstellung, und da wird es interessant. Hin und wieder lesen wir, dass Ammoniak sich umweltfreundlich mit erneuerbaren Energien herstellen lässt. Das ist nicht falsch, greift aber viel zu kurz.

Grundlage der Ammoniak-Herstellung ist das Haber-Bosch-Verfahren. Hier verweise ich mal für die Details auf Wikipedia. Entscheidend ist aber, dass im Laufe des Prozesses der notwendige Wasserstoff erstmal explizit produziert werden muss, der dann in weiteren Schritten ins Ammoniak “eingebaut” wird.

Und wie wir schon ahnen, ist diese Wasserstoffherstellung der weitaus energieintensivste Teil des Verfahrens.

Nur ganze vier Prozent des Wasserstoffs für die Ammoniaksynthese werden aber derzeit mittels Elektrolyse produziert. Also dem Verfahren, das oben gemeint ist, wenn wir von umweltfreundlich reden. Sie benötigt im Wesentlichen nur Wasser und eine Menge Strom. Und sie ist auch nur dann umweltfreundlich, wenn dieser Strom aus (überschüssiger) Solar- oder Windenergie stammt.

Der ganze Rest läuft über gute alte dreckige Kohlenstoffchemie.

Verwendung von Ammoniak

Die wichtigste Verwendung von Ammoniak ist seit 100 Jahren nicht das Autofahren, sondern die Produktion von Düngemitteln. Die weltweite Ernährung hängt davon ab, und deswegen muss sie kontinuierlich laufen und kann nur nach und nach modernisiert werden. Man kann sie nicht für zehn Jahre stoppen.

Deutschland, bislang ein wichtiger Ammoniakproduzent, schließt aber gerade in großem Umfang seine Produktionskapazitäten aufgrund der insgesamt hohen Energiepreise. Folglich wandert diese Produktion in andere Regionen der Welt ab, die Energie günstiger bereitstellen können.

Wie oben festgestellt, ist das derzeit zum ganz überwiegenden Teil konventionell produzierte Energie. Es muss also aktuell irgendwo auf der Welt Kohle oder Gas verbrannt werden, um über die Kette Wasserstoff – Ammoniak – Dünger letzten Endes Nahrung herzustellen.

Umweltfreundlich ist das nicht. Der Ausbau von Elektrolysekapazitäten ist also angesagt, und zwar im Idealfall da, wo auch die Produktion stattfindet.

Wasserstoff, generell

Wenn wir also etwas aus dieser Geschichte lernen können, dann vielleicht dies: Wasserstoffwirtschaft – ein Begriff, den man immer häufiger hört, hat beileibe nicht nur mit Antrieben zu tun. Sei es nun für Fahrzeuge oder Flugzeuge, direkt in Form von Brennstoffzellen oder indirekt über etwas wie Ammoniak.

Sie ist indirekt wesentlich für die Ernährung der Menschheit und sollte dringend modernisiert werden.

Und wenn wir schon dabei sind, sprechen wir doch über die Modernisierung anderer energieintensiver Industrien, auf die wir auch nicht verzichten können, wie die Produktion von Stahl oder Zement. Auch hier lautet eine umweltfreundliche Alternative grüner Wasserstoff.

Die nötigen Kapazitäten sind also gewaltig, und sinnvollerweise sollte man sie da aufbauen, wo Platz und Sonne in großem Umfang zur Verfügung stehen. Das haben unsere Lenker durchaus verstanden und arbeiten an Umsetzungsstrategien.

Zurück zum Anfang

Die Gesellschaft ist komplex geworden. Die Diskussion eines neuen Fahrzeugantriebs führt, wie man sieht, sehr schnell in einen größeren Kontext, und das macht Themen wie die Energiewende so schwer greifbar.

Es ist nicht einfach, alle Zusammenhänge im Blick zu behalten oder auch nur halbwegs zu erkennen und dabei das Wesentliche herauszufiltern. Mühelos kann man ja zu weiteren Aspekten des Themas gelangen – hier zum Beispiel sich entwickelnde Alternativen zu chemischem Dünger, Optimierungen bei Haber Bosch oder die Frage, welchen Beitrag eigentlich Kernkraft zu grünem Wasserstoff spielen sollte.

Die rein wirtschaftlichen Aspekte führen an dieser Stelle auch zu weit. Aber natürlich stellt sich die Frage, was eigentlich in Deutschland produziert wird, wenn zum Beispiel die konventionelle Ammoniaksynthese oder die Stahlproduktion jetzt nach Asien abwandern, dort vermutlich in einem Jahrzehnt modernisiert sein werden, aber anschließend wohl kaum zurückkommen.

Ob in zehn Jahren insgesamt genügend grüner Wasserstoff zur Verfügung steht, scheint mir aber definitiv eine entscheidende Frage zu sein. Ob dabei auch eine Tankfüllung Ammoniak für meinen neuen Toyota abfällt, lassen wir mal dahingestellt. Bleiben wir einfach technologieoffen.

Danke an Sword für die Diskussionen rund um diesen Text.